Inseln der Hoffnung

An den Hängen der 8-Millionen-Stadt Bogotá, Hauptstadt Kolumbiens, leben die Ärmsten der Gesellschaft: Abfallsortierer, Putzfrauen, Restaurant-Hilfen oder im besten Fall Taxifahrer. Viele wurden durch Krieg (Guerlilla, Farc) vom Land vertrieben oder flüchteten aus wirtschaftlichen Gründen aus dem benachbarten Venezuela. 

Foto: Dr. Claudia Aufdereggen Nöthiger 

Wie Gestrandete siedeln sie sich an den Hängen rund um die Stadt an und wohnen in selbst gebauten Häusern; aus Schweizer Sicht an bester Lage mit Top Aussicht über die Stadt. Doch der Eindruck täuscht. Beschwerlich lange dauert es von den steilen Hängen hinunter in die Stadt. Die Strassen sind ungeteert und verwandeln sich bei Regen in schlammige Sturzbäche.

Weitere Fotos: Mathias Nöthiger


Die Strassen hin zum Stadtzentrum sind überlastet und Staus gehören zur Tagesordnung. Wer es sich leisten kann, lebt im Stadtzentrum und aus Sicherheitsgründen in einem Hochhaus. Wenigstens haben die Gestrandeten Strom und fliessendes Wasser. Die Ärmsten der Armen durchsuchen den Abfall nach Essbarem oder rezyklierbarem Glas und PET, welches sie verkaufen können.



Auch wenn die Häuser teils "abenteuerlich zusammengeflickt" aussehen, scheint eine gewisse Ordnung zu herrschen. Nur wenige Menschen wirken verwahrlost. 

Inmitten dieser bunt zusammengewürfelten Häuser der Gestrandeten und Ärmsten der Gesellschaft hat die Fundación Apoyar "Inseln der Hoffnung" geschaffen: Wir besuchten zwei Kinderkrippen und ein Ausbildungszentrum.

Mitarbeitende der Fundación Apoyar gehen durch die Quartiere und bieten Eltern, die Hilfe am nötigsten haben, an, ihre Kinder in Kinderkrippen oder weiteren Betreuungsangeboten nach der Schule betreuen zu lassen, damit diese den Tag nicht unbeaufsichtigt auf der Strasse verbringen müssen, wo sich teils Betrunkene und verwahrloste Drogenabhängige herumtreiben.

Den Gestrandeten vermitteln ausgebildete PädagogInnen und PsychologInnen der Fundación Apoyar zudem Orientierung und zeigen Perspektiven auf:
  • Kindern wird gezeigt, wo sie sich sicher bewegen können und welche Orte sie meiden sollten,
  • wie die Quartiere heissen und was es in der Stadt überhaupt zu sehen gibt, wo sie gestrandet sind.
  • Jugendlichen wird geholfen, eine passende Berufsbildung zu finden, was oft zusätzlich schwierig ist, da sie aus den "gemiedenen Quartieren" kommen, in denen oft Gewalt und Kriminalität herrscht.
Kinderkrippe






  • Alleinerziehenden Müttern bietet die Fundacioó Apoyar neben den erwähnten Entlastungsangeboten zudem Unterstützung und Beratung bei Erziehungsfragen an. 
  • Zudem werden praxisnahe Weiterbildungskurse durchgeführt, um sie unabhängiger und selbständiger zu machen (z.B. ein Nähkurs). Dadurch wird es ihnen ermöglicht, mit einfachen  Geschäftstätigkeiten eigenes Einkommen zu erwirtschaften. 

alleinerziehende Mütter an einer Weiterbildung


Bei den meisten Angeboten wird eine kleine finanzielle Beteiligung verlangt; so müssen Eltern einen finanziellen Beitrag an die Betreuung der Kinder leisten und Unterrichtsmaterialien mitfinanzieren. 

Über die Fundación Apoyar

Die Fundación Apoyar, welche mein Schwiegervater vor 30 Jahren gegründet hat, steht auf soliden Beinen. Sie beschäftigt rund 100 Mitarbeitende und wird zu 60% von Hilfsorganisationen aus der Schweiz finanziert und zu 40% vom kolumbianischen Staat. Die Organisation ist etabliert und anerkannt.
 
Bei unserem Besuch erlebte ich teils rührende Momente der Dankbarkeit von älteren Damen, welche meinen Schwiegervater und meine Schwiegermutter seit Jahren kennen und schätzen.

Die Mitarbeitenden der Fundación Apoyar wirkten auf mich professionell, herzlich und hochmotiviert. Es gibt mehrere langjährige Mitarbeitende. 

Ein schönes Beispiel ist der Direktor der Fundación Apoyar selbst. Er bekam als Jugendlicher dank der Fundación Apoyar eine Perspektive, wurde unterstützt und gefördert, studierte soziale Arbeit und arbeitete sich aus ärmsten Verhältnissen hoch. Als ehemaliger "Gestrandeter" organisiert er mit seinem Team nun die "Inseln der Hoffnung" und führt die Projekte weiter.

Zu Besuch in der Fundacion in Bogotà
Foto: Mauro Steven Brochero Rodríguez


Mathias Nöthiger
(Revidiert: Ursprüngliche Veröffentlichung 26.  August 2021)

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