Die Friedensbemühungen in Kolumbien

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Seit 18 Monaten sitzen die Vertreter der kommunistischen Guerilla und der Regierung in La Habana (Kuba) am Tisch. Man möchte endlich, nach 50 Jahren Konflikt, den Frieden erreichen. Das Ziel wurde hoch gesetzt, hat es doch in den letzten 20 Jahren mindestens 4 Versuche gegeben, diesen Frieden zu erreichen. Bisher sind alle gescheitert: der Weg dazu ist sicher stotzig (wie wir im Wallis sagen) und voller Heimtücken, doch diesmal bin ich selber auch optimistisch.

Die besten nationalen und internationalen Spezialisten auf diesem Gebiet wurden diesmal konsultiert; die Gesprächsstrategie wurde so konzipiert, dass sowohl die Guerilla (mit ihren immer noch rund 8‘000 Mann und Frau) wie auch die Regierung damit leben konnten. Vor dem Anfang der Gespräche in Kuba wurden bereits die Themen definiert, der Ort der Diskussionen, die Teilnahme internationaler Beobachter (Venezuela, Schweden und Chile) und vorläufig kein Waffenstillstand in Kolumbien. Die Gespräche wurden anfänglich geheim durchgeführt, doch dies führte im Land zu immer mehr Verdächtigungen: die Regierung übergibt der Guerilla das Land, die Guerilleros werden schlussendlich in den Kongress einziehen etc. So wurden vor drei Wochen die Schlussfolgerungen der ersten drei Punkte (von 5) veröffentlicht: Agrarreform, politische Teilnahme der Guerilla und Drogenpolitik. Ich möchte hier nur ganz kurz auf den ersten Punkt eingehen.

Die ungerechte Landverteilung in Kolumbien (überhaupt in Südamerika) ist ein Erbe der spanischen Eroberer. Und dies hat sich bis heute nicht verändert. Die besten und fruchtbarsten Landstriche sind im Besitzt einiger weniger Grossgrundbesitzer (hacendados) oder auch internationaler Firmen, während Millionen von Kleinbauern landlos sind. Dies ist auch der eigentliche und historische Ursprung der Guerillatätigkeit: eine gerechtere Verteilung des Landes. Auch wenn diese erste Vereinbarung von Kuba den Besitz nicht revolutionär verteilen will oder kann, ist es doch ein grosser und wichtiger Schritt in diese Richtung: das von der Guerilla und den Paramilitärs gestohlene Land wird den Bauern zurückgegeben (Millionen von Hektaren) , grosse Landesteile im Besitze des Staates werden unter den landlosen Bauern verteilt, diese sollen auch günstigere Kredite für den Anbau ihres Landes erhalten, die Vermarktung der Produkte soll vom Staat gefördert werden etc. Diese Reform finde ich als sehr wichtig, doch gibt es bereits grossen Widerstand: viele der mächtigen Familien fürchten um ihre riesigen Besitze (obwohl diese nicht angetastet werden sollen). Die ungerechte Agrarsituation zusammen mit dem Konflikt, haben dazu geführt, dass in den letzten 20 Jahren rund 5 Millionen Landbewohner in die Städte flüchteten. Ob die angestrebte Landreform diese Bewegung umkehren kann (zurück aufs Land) ist sicher fraglich, doch wird sie den noch auf dem Land lebenden Menschen eine bessere Zukunft bieten.

Man hofft, dass in den kommenden 6 Monaten die Gespräche abgeschlossen werden. Anschliessend soll das gesamte ausgehandelte Paket vors Volk kommen. Und hier wird es die Sache nicht leicht haben. Sehr viele Bürger Kolumbiens denken und sprechen nur mit Hass von den Guerilleros: das viele Leid durch Tod und Verschleppung ist immer noch frisch im Gedächtnis (ich war auch ein Opfer dieser Auseinandersetzung durch die Entführung). Aber viele Menschen und Institutionen wollen endlich den Frieden: die Regierung, die Kirchen, viele Parteien, die Medien etc. Das Thema Frieden ist seit Monaten in aller Leute Mund. Auch wir in der Fundación Apoyar haben uns vorgenommen den notwendigen Frieden mit allen Mitteln zu fördern: in allen Projekten, in kleinen Gruppen, in grossen Treffen etc. Aus diesem Grunde sind wir momentan daran eine Umfrage unter den Tausenden von Begünstigten unserer Projekte zu lancieren um erstmals zu wissen, was die Leute über dieses Thema denken. Ausgehend vom Resultat wollen wir dann eine Strategie entwickeln um den Friedensgedanken zu fördern. Dies vor allem als Aufgabe für 2015.

Besonders im Jugendprojekt, das vom Verein Pro-Apoyar unterstützt wird, möchten wir es erreichen, dass die vielen jungen Menschen dieses Thema ernsthaft diskutieren und dann auch umsetzen. Hierbei geht es nicht nur um das ruhen lassen der Waffen sondern um das Verzeihen, um einen Neuanfang, um Gerechtigkeit innerhalb der kolumbianischen Gesellschaft. Es geht um den Frieden, nicht nur im Staat, auch im Dorf, in der Familie etc. So sollten diese jungen Menschen das Friedensverständnis auch weitertragen, denn nur so wird es möglich sein eine ganzheitliche und menschliche Entwicklung zu erreichen.

Richard Aufdereggen, Bogotá, im November 2014

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