Apoyar und die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC-Rebellen

Richard Aufdereggen, Bogotá


Seit längerer Zeit haben wir uns intensiv mit diesen Fragen beschäftigt, sowohl im Vorstand wie auch unter den Mitarbeitern der Stiftung Apoyar. Nur ein friedliches Zusammenleben kann Wohlstand sichern.

Seitens der Regierung ist man zuversichtlich. Präsident Santos erklärte vor einer Woche: “estamos  cerca”, (wir sind nahe dran).  Ich kann mir vorstellen, dass noch vor Jahresende ein Friedensabkommen zwischen Regierung und Farc unterschrieben wird. Bei den Verhandlungen in Kuba nahm nicht nur die offizielle Delegation der Regierung teil, in den letzten Wochen reisten viele andere Gruppen nach La Habana um sich mit den FARC-Führern zu treffen: hohe Militärs, NGO´s, Vertreter der Opfer des Konfliktes und auch eine Gruppe wichtiger kath. Bischöfe. Dies alles zeigt deutlich, dass die Rebellen schlussendlich bereit sind den schon 50-jährigen Konflikt zu beenden. Immerhin hat er diesem Land rund 200’000 Tote gekostet und etwas mehr als 5 Millionen interne Flüchtlinge.




Doch die Unterschrift ist eines, die Umsetzung der Ergebnisse  im Lande ein anderes. Viele Menschen in Kolumbien wollen den Frieden, sind aber nicht bereit, dass die Rebellen relativ unglimpflich davonkommen. Zudem fällt es ihnen schwer zu verzeihen. Auch wichtige politische Parteien möchten weiterhin Krieg, zumindest bis die Rebellen alle eliminiert sind. (was sich in 50 Jahren als unmögliches Unternehmen erwies!)

Auch wir in APOYAR begleiten diesen nationalen Prozess mit viel Interesse und haben uns entschieden nicht einfach abseits zu stehen sondern eine aktive Rolle zu spielen. Der erste Schritt bestand darin, unter den vielen Menschen unserer Projekte eine Umfrage zu machen: was hält ihr von diesen Friedensbemühungen?  Die Antworten waren überraschend:

  • Bei den Projektteilnehmern in den Armenvierteln von Bogotá nahmen wir zuerst eine gewisse Überraschung wahr: warum wollen die Leute APOYAR nun plötzlich vom Frieden sprechen? Doch die Teilnahme wurde immer aktiver und interessierter. In kleineren und grösseren Gruppen wurde das Thema diskutiert (Frieden mit mir, in der Familie, in meiner Gemeinschaft und  im Lande). Schlussendlich konnten wir bei den allermeisten eine grosse Bereitschaft feststellen, die Friedensbemühungen der Regierung zu unterstützen und bei den potskonflikt-Arbeiten aktiv zu sein.  Sollten diese Bürger  über die erreichten Schlussfolgerungen abstimmen müssen, würden sie sicher positiv entscheiden.
  • Auf dem Land war die Stimmung  anders: radikale Ablehung der eventuell erreichten Abmachungen. Man hatte den Eindruck, als ob die Vorgänge in Kuba nichts mit ihnen zu tun hätten. In gewissem Sinne konnten wir diese Haltung auch verstehen. Einerseits ist das Friedensvorgehen in Kuba bei der Landbevölkerung zu wenig bekannt. Andrerseits  hatte gerade dieser Bevölkerungsteil zu sehr unter den Folgen des Krieges gelitten. Im Osten des Dept. Caldas (Ort unserer Entwicklungsprojekte) beweinen sicher 50% den Verlust eines Familienmitgliedes. Entweder wurde jemand der Familie von der Guerilla oder den befeindeten Paramilitärs ermordet oder ganz junge Menschen wurden gewaltsam von den Konfliktparteien rekrutiert. Ich kenne sogar sehr junge Männer, die vom ordentlichen Militär aufgegriffen wurden: man warf ihnen Teilnahme bei der Guerilla vor (was falsch war) und sie wurden gefoltert, in einigen Fällen sogar vergewaltigt. Trotz dieser Haltung möchten wir den Friedensgedanken in diesen Familien und Gemeinschaften fördern. Solange nur der Hass diese Herzen erfüllt ist auch das so notwendige Zusammenleben erschwert. Die meisten haben kein Vertrauen zueinander und in die öffentlichen Institutionen. In einigen Fällen werden wir mit gemeinschaftspsychologischen Methoden arbeiten müssen. Es wird uns sicher helfen, dass gerade unsere Direktorin, Nelly Giraldo, Psychologin ist und sich in in diesen Methoden spezialisiert hat.
  • Auch ich werde persönlich mithelfen. Als Opfer dieser Auseinandersetzung (Entführung im Mai 1988 durch die Guerilla) kann ich mit mehr Autorität über diese schmerzhaften Vorgehen sprechen und die Leute zum gegenseitigen Verzeihen einladen. Zudem ist es ein wesentlich christliches Anliegen: nur wenn wir den angehäuften Hass abbauen können, gelangen wir zu innerer Ruhe.


Bogotá, im August 2015

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