Jugendprojekt, Caldas, Kolumbien

von Richard Aufdereggen

Vom 1. bis 5. September besuchte ich das Jugendprojekt im Osten des Dept. Caldas, finanziell mit unterstützt von Pro-Apoyar. Im folgenden Kurzbericht möchte ich auf die wichtigsten Punkte eingehen und informieren.

Richard Aufdereggen an eine Sitzung in el Congal
Der kolumbianische Konflikt hat die im Departement Caldas lebende Bevölkerung in den letzten 35 Jahren mit besonderer Grausamkeit getroffen. Rund 40% der 20’000 Menschen mussten fliehen. Auch die ganze Familie meiner Frau Ana Dilia verliess 1999 ihr Elternhaus in Florencia (die Mutter María Antonia war damals 85 Jahre alt und im Rollstuhl). Die Guerrilleros und Paramilitärs bekämpften sich dort bis aufs Blut; die Zivilbevölkerung musste stark darunter leiden. Da ich durch meinen Familienbezug und unsere Sozialprojekte (Landjugendheime) immer in engem Kontakt war, könnte ich darüber Bücher schreiben!!

Doch nun haben wir Frieden, Gott sei Dank und Dank unserem Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos.

Sehr viele Bauernfamilien sind in den letzten 3 Jahren wieder auf ihre Güter zurückgekommen. Wir organisierten eine Reihe von Projekten, um diese Rückkehr zu erleichtern. Doch hier möchte ich nur von den Jugendlichen schreiben. Ihre Situation war und ist auch nicht einfach: durch das jahrelange "Vertrieben sein" verloren sie ihren Halt und sahen meistens keine Zukunft. Doch nun sind sie wieder auf dem väterlichen Bauernhof.

 In diesem von Pro-Apoyar finanziell unterstützten Projekt geht es vor allem um 3 Ziele:

  • Ausbildung dieser jungen Menschen, 
  • Friedenserziehung 
  • und politisches Engagement für die Jugendlichen der 3 involvierten Gemeinden. 
Unsere Projektmitarbeiter erreichen momentan 224 Jugendliche, von diesen sind 191 in einer Ausbildung. Fast alle haben sich für die Landwirtschaft entschieden: Produktion landwirtschaftlicher Güter, Tierzucht, landwirtschaftliche Maschinen. Rund 20 entschlossen sich für den Tourismus, da vor allem ein Dorf für Touristen sehr attraktiv ist: San Diego mit seinem sehenswerten Kratersee. Dank den guten Beziehungen von Apoyar konnten wir für diese Ausbildung 2 grosse Institutionen gewinnen: der SENA, servicio nacional de aprendizaje, (eine Art staatliche Gewerbeschule) und die Universidad de Caldas. Die Lehrgänge können kostenlos absolviert werden. Nach Abschluss der Ausbildung erhält jeder Abgänger ein Diplom, das im ganzen Land anerkannt ist. Wer aber nach diesem Diplom noch an der Universidad von Caldas weiterstudieren will, dem werden diese 4 Semester angerechnet (vor allem für Agronomen).


 Was die Friedenserziehung angeht, handelt es sich um ein weiteres, sehr wichtiges, Thema. In einer Gegend, wo viele Menschen umgebracht und andere fliehen mussten, ist immer noch Hass und Rache vorhanden. Daher versuchen wir in zahlreichen Gesprächsrunden und Treffen die Jugendlichen zu überzeugen, Vergangenes hinter sich zu lassen. Die neue Sichtweisen werden weiter in die Familien getragen und die "Wunden" können langsam "heilen". Seit 3 Jahren haben wir dafür eigens einen erfahrenen Psychologen: Luis Fernando Alvarez.


Reunión jóvenes de Victoria

Wichtig ist diese Anstrengung auch deswegen, weil in den kommenden Monaten einige Exguerrilleros aus diesem Gebiet zurück zu ihren Familien kommen werden. Diese wurden in den letzten 35 Jahren in die Guerrilla-Reihen gelockt und haben inzwischen die Waffen abgegeben. Einige dieser Treffen werden sicher viel Mut und Geduld brauchen. Wir ebnen diesen Weg so gut es geht.
Reunión y equipo de jóvenes campesinos Florencia

Schlussendlich geht es auch um ein politisches Engagement: nach hiesigem Gesetz sind die Gemeinden verpflichtet, die Jugendlichen zu unterstützen, dies immer nach einer vorher erarbeiteten Jugendpolitik der betreffenden Gemeinde. Wie so oft, in diesen abgelegenen Gemeinden, werden solche Aufgaben nicht an die Hand genommen, vor allem weil sie die Teilnahme der jungen Menschen erfordern. Gerade hier sind wir aktiv geworden. Nach anfänglicher Absprache mit den Gemeindeverwaltungen bilden wir Gruppen von Jugendlichen und beginnen mit diesen ihre Probleme aufzunehmen und Lösungen zu suchen. Anschliessend werden Vorschläge den Behörden vorgelegt: in 2 Gemeinden wurde diese bereits in die Jahresplanungen aufgenommen. In einer dritten Gemeinde, Victoria, sind wir auf dem besten Weg dies zu erreichen. Dies beinhaltet, dass ab jetzt die jeweiligen Jahresbudgets in ihren Gemeinden einen wichtigen Teil zur Förderung der Jugend aufweisen müssen und dass dieselben Jugendgruppen mit entscheiden können, wie und wo dieses Geld eingesetzt werden soll.

Doch der wichtigste Teil dieses Prozesses ist vielleicht nicht das Geld sondern das politische Bewusstsein der Jugendlichen. Diese haben erfahren und wissen nun, dass das politische Aktivsein ihre Zukunft verändern kann. Und dies ist gerade hier so wichtig, wo dieses Bewusstsein unterdrückt wurde und während Jahrzehnten jede kritische und politische Haltung nicht Ernst genommen wurde.

Noch ein Wort zur Finanzierung: von allen Projektkosten übernimmt Kolumbien (SENA, Universidad de Caldas, Gemeindebehörden und private Unternehmen) 60% der Kosten, 40% Pro-Apoyar.

Schussfolgerungen meines Besuches: Es handelt sich um eine wichtige Projektarbeit mit grossen Zukunftszielen. Die vielen und motivierten Jugendlichen werden ihr eigenes Leben mit viel mehr Dynamik in die Hand nehmen und es besser mitgestalten können. In vielen Gesprächen mit diesen jungen Menschen wurde ich darin nur bestätigt.

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