Das nicht endende Drogeninferno in Südamerika

Richard Aufdereggen, Bogotá

Anfangs Mai diesen Jahres entschied der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos, dass die Koka-Plantagen in Kolumbien ab sofort nicht mehr mit Glyphosat bespritzt werden. Der Nicht-Einsatz dieses Herbizides löste verschiedene Reaktionen aus. Breite Bevölkerungskreise in diesem Lande unterstützen den Entscheid, eher konservative und gut betuchte Gruppen sehen bereits Weltuntergangsszenarien. Wer aber am meisten dagegen wettert, ist die nordamerikanische Regierung. Sie kann es nicht verstehen, dass dieses Gift nicht mehr die Böden, Wasserquellen und, vor allem, Menschen vergiftet, auch wenn damit die Koka-Pflanze vernichtet wird. (wenigstens teilweise, da die Wurzeln am Leben bleiben und wieder zu spriesen beginnen.)


Glyphosat wird von Flugzeugen aus über die Kokafelder gesprüht.



In der New York Times sprach man von einer “Auflehnung” der kolumbianischen Regierung gegen den Willen der USA. Zudem lässt man das Gift nicht nur auf die Koka-Pflanzen regnen: die kleinen Bauerngüter, die bewusst nichts mit der illegalen Pflanze zu tun haben wollen, bekommen ihre Mais- und Kaffeefelder auch bespritzt. Die Piloten dieser kleinen Flugzeuge können oder wollen darauf nicht achten.

Hier zeigt sich ein weiterer sinnloser Schritt der nordamerikanischen Drogenpolitik, die jährlich Milliardenbeträge gegen die Drogen einsetzt und der es, trotz jahrelangen Einsätzen, nicht gelungen ist, weder die Produktion, noch den Handel, noch den Konsum in den USA zu dämmen.
Seit Jahrzehnten wendet die jeweilige US-Regierung eine repressive Drogenpolitik an, die vor allem die Produktion in diesen Ländern und den Handel bekämpft. Aber gerade durch diesen erbarmungslosen Kampf steigen die Preise und sind ein Anreiz zur Weiterproduktion. Was dem Bauer hier für seine Kokapaste 400 Dollar einbringt, lässt den Händlern rund 250’000 Dollar in die Kasse fliessen, wenn sie es in Pulverform und grammweise in New York verkaufen. Zudem schaffen sie ein revolutionäres Potential, denn dieses Gift (Glyphosat) aus dem Himmel, reizt zu mehr Produktion, um den imperialistischen Aktionen (so die kommunistische Guerilla) zu trotzen.
 “Auch wenn ein paar Gringos auf der Strecke bleiben, das interessiert mich nicht, hauptsächlich ich komme mit meiner Familie über die Runde”: so ein kolumbianischer Kokabauer. 
Und gerade hier liegt, nach meiner Ansicht, das Problem. Wenn die kolumbianischen oder peruanischen Kleinbauern gerechte Preise für ihre legalen, landwirtschaftlichen Produkte erhielten, würden sie nicht auf die Koka-Produktion umstellen. Ich kenne Beispiele von kleinen Produktionseinheiten (Familiengruppen) im kolumbianischen Hinterland, die sich früher der Koka widmeten, aber inzwischen mit technischer und finanzieller Unterstützung des Staates auf legale und traditionelle Produkte umstellten, denen man auch bei der Vermarktung half. Sie können heute gut davon leben. Aber wenn der hiesige Bauer mit weniger als 10.- Franken am Tag auskommen muss ist natürlich die Versuchung zu gross.

Ein Kunstprojekt erinnert an die zahlreichen Toten des Drogenkrieges

So auch der südamerikanische Kaffeebauer (in Kolumbien leben 350’000 Familien vom Kaffeeanbau), der gerade 5% des Kaffeepreises erhält den man in der Schweiz dafür bezahlt. Er ist nur zu gerne bereit die Kaffeebäume durch die Koka-pflanze zu ersetzen. Die horrenden Gewinne der Kaffeehändler und-röstereien sind an diesem grossen Problem nicht unschuldig.

Ich bin überzeugt, dass die vielen nordamerikanischen Milliarden von Dollar einen gewaltigen Umbruch im Drogenanbau hätten bewirken können: die Kleinbauern wären bereit ihre traditionellen Produkte anzubauen und auf den Markt zu bringen, wenn nur die Preise stimmen würden. Aber dazu ist man nicht bereit. Man möchte unbedingt weiterhin Glyphosat spritzen.
Aber eben, das Gift fliesst nicht in den Garten des Weissen Hauses oder auf den Kongresshügel in Washington. 
Glyphosat ist eine biologisch wirksame Hauptkomponente einiger Breitbandherbiziden und wird oft in der Landwirtschaft eingesetzt. In Kolumbien wird es schon seit vielen Jahren zur Zerstörung vom Kokastrauch mit Spritzflugzeugen eingesetzt. Es führte hier zu Krankheitssymptomen, wie Haut- und Augenprobleme, Infektion der Atemwege, Magen- und Darmerkrankungen. Zudem haben Mediziner in den letzten Monaten auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, dass dieses Herbizid krebserregend wirkt.

Von Hand werden die Kokapflanzen ausgerissen

Gerade wegen diesen Gefahrenherden begann man vor einiger Zeit mit dem manuellen Ausreissen der Pflanze.

Der Drogenkrieg und die vielen Opfer

Ein weiterer Toter des Drogenkrieges
Ich muss nichts Neues vom kolumbianischen Drogenbaron Pablo Escobar berichten. Er konnte den Staat jahrelang bedrohen und wer sich ihm in den Weg stellte wurde umgebracht. In seine Fussstapfen traten viele andere Capos und sind in den letzten Jahren mit denselben Methoden vorgegangen. Tote noch und noch, und von der Korruption auf Staats-Ebene gar nicht zu sprechen. Und das Geschäft blüht: Kolumbien produziert immer noch 285 Tonnen Kokain im Jahr, so die amerikanischen Behörden. In Perú ist es noch schlimmer, hier werden, gemäss denselben Quellen, jährlich 300 Tonnen hergestellt und auf den Markt gebracht. Da die Kokain-Anbaufelder im peruanischen Hinterland liegen, wird die meiste Kokapaste mittels Laufburschen über die Andenkette gebracht. Dass viele dieser “mochileros” auf den gefährlichen Wegen umkommen, ist kein Geheimnis. Aber es bleibt ihnen meistens keine andere Möglichkeit etwas Geld zu verdienen. 
Und schlussendlich Mexiko: hier wird vor allem vermarktet – es ist Durchgangsland in die USA. Die Drogenkartelle, kurz vor der amerikanischen Grenze, haben sich in den letzten Jahren gewaltig vergrössert, sie sind ein staatsgefährdetes Element geworden. Auch hier kommen alle unter die Räder, die sich den “Jefes” widersetzen. Von 2006 bis 2012 berichtet man von 60’000 Toten: vor allem Zivilpersonen wie Journalisten, Menschenrechtsbefürworter etc. Juárez, die mexikanische Grenzstadt vor den USA, hat den Ruf der gefährlichsten Stadt der Welt.

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